OSK: Flugzeugsimulator für Orthopäden
Von außen wirkt das Mobile Lab, das fahrbare Labor des Münchner Medizingeräteherstellers Arthrex, wie ein handelsüblicher Truck mit vier Rädern – abgesehen davon, dass ein Arzt im grünen OP-Anzug darauf abgebildet ist, der an die Eingangstür klopft. Innendrin allerdings ist Hightech angesagt – und Hand- und Kopfarbeit auf höchstem Niveau.
Kürzlich, als der Arthrotruck vor dem St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg logierte, war das Mobile Lab mit seinen drei OP- respektive Arbeitsplätzen rund um die Uhr vollbesetzt. Fast das komplette Jung-Ärzteteam von Prof. Dr. Jörn Zwingmann, Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, nutzte die Gelegenheit, unter Anleitung von Oberärzten und mit Unterstützung der Arthrex-Experten neue OP-Methoden einzuüben und die alten zu verfeinern – an gekühlten Humanpräparaten, mit denen man echte Operationen perfekt simulieren kann. Vor allem für Assistenzärzte, die noch nie eigenverantwortlich operieren durften, war und ist die Möglichkeit, arthroskopische und minimalinvasive Eingriffe an Knie und Schulter unter realen Bedingungen eigenständig zu üben, Techniken zu verfeinern und selbst entscheidend Hand anzulegen, außergewöhnlich.
Außergewöhnlich ist, zumindest für medizinische Laien, auch das Geschehen in der Ärzte-Werkstatt selbst. Da wird genäht, geschnitten, geklopft, verknüpft, verknotet, gezogen, gebohrt, gehämmert und gesägt, dies alles mit Hilfe von Kameras und Monitoren und unter deutsch-lateinischen Instruktionen wie dieser: „Der Ankerkörper muss so auf das Eyelet (englisch für Öse) geklopft werden, dass die erste Rille auf Höhe der Kortikalis ist und der Anker auch greift“ – Mediziner wissen, was gemeint ist.
Die Materialien und Werkzeuge im Truck – insgesamt stellt Arthrex mit seinen 7000 Patenten 19000 verschiedene Medizingeräte her, die exakt auf die Körperteile und diversen Operationsmethoden abgestimmt sind – haben es in der Tat in sich. Der Nähfaden einer Achillessehne, deren knochennaher Riss in der ersten Übungseinheit per Speed-Bridge-Verfahren behandelt wurde, ist beispielsweise derart stark und reißfest, dass man in Feldversuchen damit einen Porsche abschleppen konnte. Aber: Die große Kunst für einen Chirurgen ist es eben, diesen Faden in minimalinvasiver Technik perfekt an den Körper anzubringen und zu fixieren. Entsprechend fleißig tauschten sich die Jungärzte aus, fachsimpelten, gaben sich Tipps, halfen sich.
Prof. Dr. Jörn Zwingmann war dankbar – über das Labor an sich, das aufgrund seiner Initiative an die Oberschwabenklinik kam, kostenfrei übrigens. Und über die fabelhafte Lehrmöglichkeit und die Lehrstunden für sein Team.
Mit dem Fortlauf ihrer Ausbildung übernehmen Klinikärzte mehr und mehr Verantwortung – anfangs halten sie in Operationen zumeist Haken, assistieren den Fachärzten und lernen durch Beobachten und Kopieren. Nach und nach werden die operativen Schritte unter Anleitung auch selbständig durchgeführt. Nach Jahren der Eins-zu-Eins-Betreuung und exakten Anleitungen von Ober‑, Fach- und auch Chefärzten dürfen Assistenzärzte schließlich als Fachärzte selbst in die Rolle der Junior- und Haupt-Operateure schlüpfen.
Prof. Zwingmanns Team ist am Ende begeistert von dem Fortbildungstag im Lastwagen. (Auszug Pressemitteilung der OSK. Februar 2024)